Freitag, 23. Juli 2010

Angst um die eigenen ÖRe

Im Facebook ergab sich neulich eine interessante Diskussion in Bezug auf diesen Niggemeier-Artikel. In dem geht es darum, dass die öffentlich-rechtlichen Sender (ÖR) verpflichtet werden, Web-Inhalte nach einer bestimmten Zeit zu löschen. Niggemeier erwähnt in seinem Text zwar nicht die Zeitungsverleger, in der Diskussion kamen sie allerdings schnell zur Sprache.

Freunde, die nicht bei der Zeitung arbeiten, waren dafür, den ÖR uneingeschränkte Verbreitung von Inhalten zu erlauben. Kollegen, die mit mir bei der Zeitung beschäftigt sind, argumentierten dagegen. Es wäre unfair, wenn die ÖR durch die Gebühren Fördermittel bekommen würden, um das gleiche zu tun, was die Zeitungsredaktionen im Netz durch privates Erwirtschaften finanzieren müssten.

Obwohl ich selber auch (noch) bei der Zeitung arbeite, bin ich kein Gegner einer uneingeschränkten Verbreitung öffentlich rechtlicher Inhalte im Netz. Denn zunächst einmal erschließt sich mir nicht, welches Platzrecht die Zeitungsverlage im Internet eigentlich einfordern. In der gesamten Diskussion kommt es mir so vor, als würden die Verleger das Internet als digitale Verlängerung ihrer Printprodukte sehen. Das mag das Internet sein, aber gleichzeitig ist es auch die digitale Verlängerung von allem anderen. Das Netz spielt in allen Lebensbereichen eine so wichtige Rolle, dass ich später meinen Kindern kaum mehr erklären werden kann, wie das Leben ohne Internet überhaupt einmal funktioniert hat.

Und deshalb müssen auch die ÖR vernünftig im Netz vertreten sein - das ist ihre gesellschaftliche und gesetzliche Verantwortung und außerdem das Recht des Gebührenzahlers. (Mit Sicherheit wäre das Internet auch Teil des ursprünglichen Rundfunkstaatsvertrags gewesen, hätte es das Internet 1987 schon in der heutigen Form gegeben.)
Eine vernünftige Vertretung im Internet ist sicher nicht, wenn die ÖR gezwungen werden, von Gebührengeldern ihre von Gebührengeldern erstellten Inhalte zu löschen. Das widerspricht völlig der Funktion des Internets als Archiv und Datenbank und zwingt die ÖR, so zu tun, als würde das Internet so flüchtig funktionieren wie das Radio oder das Fernsehen.

Die Verlage argumentieren, dass es ihnen keineswegs darum geht, den ÖR zu verbieten, ihre Rundfunkbeiträge online zu stellen. Sie sehen in erster Linie eine Gefahr darin, dass die ÖR Texte online stellen und somit das gleiche tun wie die Zeitungsverlage. Das sei presseähnlich und den ÖR daher verboten.
Ab wann ist eine Geschichte presseähnlich? Sobald sie in Textform erzählt wird? Ich glaube, dass man bei Internet-Inhalten nicht von presseähnlichen Inhalten sprechen kann. Nur weil die meisten Verlage bisher so unkreativ sind, dass sie im Netz kaum mehr als eine langweiligere Version ihrer Zeitung anbieten, heißt das nicht, dass Journalismus im Internet immer nur die digitale Version einer Zeitung sein muss. Das Internet ist weder der Presse noch dem Rundfunk ähnlich. Es funktioniert auf verschiedenen Kanälen, bereitet Geschichten über z.B. Bild, Ton, interaktive Grafiken und eben auch Text auf. Es wäre doch absurd, ausgerechnet den ÖR zu verbieten, diese Möglichkeiten zum Geschichtenerzählen zu nutzen - und zu denen gehört nun mal das Texten dazu. (Wobei es natürlich eine andere Frage ist, ob die ÖR aufregender mit dem Internet umgehen als die meisten Zeitungsverlage.)

Letztlich brauchen sich die Zeitungsverlage vor den ÖR im Internet nicht zu fürchten. Es gilt die Regel: Wer die bessere Geschichte erzählt oder die Geschichte am besten erzählt, bekommt die Aufmerksamkeit. Die Verlage sollten also ihre Energie lieber nutzen, um im Internet gute Geschichten zu erzählen, die ihnen viele Klicks und Links bringen. Davon haben sie langfristig mehr, als wenn sie vermeintliche Supergegner eliminieren, damit sie den Spielplatz für sich alleine haben.

Wer Aufmerksamkeit bekommt, bekommt Werbeeinnahmen und wird sich gegen die ÖR behaupten können - genauso funktioniert es im Rundfunkbereich schließlich schon seit Jahren. Und nur, weil die Zeitungsverleger bis jetzt ungestört sehr reich geworden sind und keine öffentlich-rechtliche Konkurrenz hatten, müssen sie jetzt nicht zetern. Sie sollten lieber etwas mehr von dem vielen Geld, das sie in den guten Zeiten verdient haben, ausgeben, um gut für die Zukunft gerüstet zu sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen