Dienstag, 26. Oktober 2010

Die Folter, wenn man trotz Müdigkeit einen Film ansehen will

1. Man hat die Beine hochgelegt, die Raumtemperatur sicherheitshalber etwas runtergefahren und ein koffeinhaltiges Getränk bereitgestellt. Man spürt, dass man bald müde werden wird, doch man ist sich sicher, dass die Müdigkeit nicht gewinnen wird. Diesmal nicht!

2. Die Müdigkeit beginnt, sich breit zu machen, doch sie hat noch nicht die Augen becirct. Stattdessen wächst die Sehnsucht, sich eine Decke zu holen oder sich wenigstens auf die Couch zu legen. Man gibt dem Drang nicht nach, verpasst aber erste Dialogzeilen des Films, weil man sich mehr auf den skrupellosen Gegner im eigenen Körper als auf die Handlung konzentriert.

3. Man trinkt eine große Menge des koffeinhaltigen Getränks in einem Zug aus, in der Hoffnung, dass die Konzentration wieder zurück kommt. Tatsächlich kommt sie kurz zurück. Für maximal eine Minute, wie sich herausstellt, denn plötzlich tritt Punkt Vier ein:

4. Das Fernsehenbild verdoppelt sich, weil die Augen beginnen, sie zu entspannen. Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem man weiß, dass man nicht mehr gewinnen wird. Trotzdem versucht man, der Müdigkeit ein Schnippchen zu schlagen und versucht, krampfhaft, die Augen unter Kontrolle zu bringen, damit sich beide Fernsehbilder wieder überlagern. Das ist so anstrengend, dass man vom Film nichts mehr mitbekommt. Aber das macht in dem Moment nichts. Lieber eine Minute verpassen, um danach wieder gut gucken zu können, als jetzt einzunicken.

5. Es hilft nichts. Das Fernsehenbild driftet immer wieder in zwei Einzelbilder auseinander. Und die Kampfbereitschaft lässt nach. Jetzt versucht man eine neue Strategie: Man konzentriert sich einfach auf eines der beiden Bilder und ignoriert das andere. Ist nicht so leicht. Denn immer das Bild, auf das man sich konzentrieren will, driftet weg. Selbst wenn man nur mit einem Auge hinsieht.

6. Das augenrollende "Dem-Bild-Hinterherjagen" ermüdet so stark, dass die Augen zu fallen. Jetzt hilft nur noch zen-meisterliche Willensstärke. Krampfhaft hält man seine Augen auf. Vom Film bekommt man schon lange nichts mehr mit. Doch das spielt kaum noch eine Rolle. Es geht nur noch darum, die Müdigkeit nicht siegen zu lassen.

7. Schließlich gibt man den Kampf auf und versucht sich damit zufrieden zu geben, nur noch den Ton des Films zu hören. Hörspiele sind schließlich auch etwas Schönes. Und es gibt genug blinde Menschen, für die jede Filmerfahrung genau so ist.

8. Man wacht genau in der Sekunde auf, in der der Abspann des Films beginnt. Überrascht stellt man fest, dass man sich hingelegt hat. Kurz glaubt man auch, vom Film nichts verpasst zu haben und wundert sich, warum das Ende so abrupt kommt. Dann wird einem klar, dass man wieder einmal gegen die Müdigkeit verloren hat.


Und jetzt erkläre mir bitte jemand vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, warum man genau diese Tortur zugemutet bekam, wenn man die Filme eines kürzlich verstorbenen wichtigen deutschen Film- und Theaterregisseurs ansehen wollte.

Gehört solche Folter auch zum Kulturauftrag? Oder warum wurden die Filme von Christoph Schlingensief auf 3Sat erst ab 0.55 Uhr ausgestrahlt? Und ist es nicht zynisch, einen Film, den Schlingensief sich zu seinem 50. Geburtstag gewünscht hat, erst um 4.40 Uhr zu zeigen?

Ich hatte von der Filmnacht jedenfalls nicht viel. Punkt 8 setzte bei mir schon um 2.30 Uhr ein.

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