Sonntag, 13. Februar 2011

Berlinale 2011 - Cineastisches Tagebuch in Text und Bild (4)


Große Brillen sind in auf der Berlinale. (Oder um es mit den Worten einer Zeitschrift wie "InStyle" zu sagen: "In ist: Große Brillen, Out ist: Festival-Jury-Mitglieder im Iran festzuhalten.)

Und ich meine damit nicht nur die 3D-Brillen, die auch hier immer öfter in den Kinosälen aufgesetzt werden müssen (und die ganz schön scharfkantig sein können, so dass man sich die Ohren leicht verletzt). Nein, auffällig ist, dass auf dem Festivalgelände am Potsdamer Platz immer mehr Leute mit riesigen Opa-Brillen auf der Nase herumlaufen, was sehr nerdig aussieht. Doch Nerds sind mittlerweile cool, weil uns zahlreiche Filme in den letzten Jahren beigebracht haben, dass sie eigentlich Superhelden sind. Bestes Beispiel ist der Film "Griff – The Invisible", der auf der Berlinale läuft und in dem ein Nerd zu einem unsichtbaren Superhelden wird. Einfach weil er es will und sich genug Mühe gibt. Der Film definiert Nerds als Menschen, die über die Realität hinaus denken und dadurch entweder den Bezug zur Realität verlieren oder neue Welten für andere Menschen zugänglich machen.

Party unter eindrucksvoller Kuppel im Alten Postfuhramt. Durch die großen Tore sind zu Kaiserszeiten Pferde mit Postwagen gekommen.


Auf der Berlinale laufen viele Nerds herum, die Superhelden sein wollen – also etwas ganz Besonderes schaffen wollen.
Meistens sind es Filmschul-Absolventen, die hier mit Drehbüchern im Gepäck von Termin zu Termin hetzen, um ihre Nerd-Identität hinter sich zu lassen und erfolgreiche Filmemacher zu werden. Abends schmuggeln sie sich dann auf dekadente Parties, lassen den Geschäfts-Gespräch-Marathon des Tages hinter sich und werden zu Helden der Nacht, die sich wie Stars fühlen, wenn sie auf der Party stehen, auf der echte Stars die Tanzfläche bevölkern.


Sabine Bernardi, die mit mir an der Internationalen Filmschule Köln studiert hat, ist die Heldin unserer Hochschule. Sie hat es geschafft, mit viel Kraft und sehr wenig Geld ihren ersten Langspielfilm zu produzieren, der in diesem Jahr auf der Berlinale läuft und einen wahren Besucheransturm ausgelöst hat. Zwei Tage hintereinander hat "Romeos" – ein sehr charmanter Film, der von einem Jungen handelt, der einmal ein Mädchen war und selbst im als so tolerant bekannten Köln auf Probleme stößt – mehrere Kinosäle gefüllt. Weit über 100 Menschen mussten sogar vor der Tür bleiben, weil nicht einmal mehr auf den Treppen Platz war.

Sabine ist jetzt also eine Superheldin. Das klingt ein wenig nach Franz-Josef Wagner, stimmt aber. Denn sie hat eine fremde Welt vielen Leuten zugänglich gemacht. (Und hatte es vor ihrem Erfolg nicht einmal nötig, eine große Brille zu tragen.)

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