Dienstag, 22. Oktober 2013

Der Held im Superheld


Iron Man 3 ist der bisher beste aller Marvel-Filme. Weil er der mutigste aller Marvel-Filme ist. Und mutig ist er, weil er so schonungslos konsequent ist, dass man sich beinahe wundert, dass das Studio ihn so durchgewunken hat, wie er ist. Iron Man 3 nimmt es sich heraus, seine Hauptfigur bis auf ihren innersten Kern freizulegen und geht so das Risiko ein, Iron Man den Superheld-Status zu entziehen.

Ein Superheld ist eine moderne mythische Figur. Was Herkules in der griechischen Mythologie war, ist Superman in der Comic-Mythologie. Und mythische Figuren sind im Kern Menschen mit so fundamental großen Ängsten, dass sie übermenschliche Kräfte brauchen, um diese Ängste zu kompensieren. Folgende Grafiken bringen diese Logik hervorragend auf den Punkt:




Tony Stark verkriecht sich in seinem Iron Man-Kokon, um nicht der depressive alkoholkranke Milliardärssohn mit Vaterkomplexen sein zu müssen. In Iron Man 3 nimmt der Mandarain, ein übermächtiger Antagonist und in den Comics Iron Mans Erzfeind, mit einem Raketenabschuss Tony Starks Superhelden-Identität. Im gesamten zweiten Akt muss sich Tony seinen Ängsten stellen, ohne sich verkriechen zu können.

Der Mandarin funktioniert ebenso konsequent nach einer simplen Dramaturgie-Logik: Die stärkste Waffe des Antagonisten ist die Angst. Der Bösewicht eines Films versteckt sich hinter Drohgebärden (in Blockbustern meistens in Form von Superwaffen), die verschleiern sollen, dass er in Wirklichkeit nur ein schwacher Mensch ohne Macht ist. Konsequenter als in Iron Man 3 wurde dieser Grundsatz noch in keinem Superhelden-Film offen gelegt: Als große Überraschung entpuppt sich der übermächtige Mandarin als nicht-existent. Der Mandarin ist nur eine Kunstfirgur, dargestellt vom beinahe wurmartigen Schauspieler Trevor. Iron Mans Erzfeind ist nur eine Illusion, nur die Manifestation der eigenen Angst. (Gesellschaftlich gesehen der Angst vor dem Terror.) Daher braucht Iron Man auch den Kokon nicht, sondern lernt, dass er als Tony Stark seine Furcht besser bekämpfen kann als in seiner Rüstung.


Am Ende befreit sich Tony von seiner Superhelden-Identität und vom eigenen Mythos. Iron Man 3 entmystifiziert auf allen Ebenen eine Figur, die nur vermarktbar ist, wenn sie übermenschlich ist. Tony Starks Geschichte ist hier vorbei. Ich bin gespannt, wie Marvel es schaffen wird, Iron Man weiterhin logisch in seinem Kino-Universum zu halten. Daher ist die Entscheidung, Iron Man 3 so zu erzählen mutig. Andererseits hat sich die Konsequenz, bis zum tiefsten Kern der Figur vorzudringen, ausgezahlt: Iron Man 3 ist der bisher erfolgreichste aller Marvel-Filme.

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