Dienstag, 10. Dezember 2013

Der gruseligste Adventskalender der Saison... #10

Achtung! Diese weihnachtlich-traurige Gruselgeschichte startet bei TÜRCHEN 1!
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TÜRCHEN 10

Eins… Zwei… Drei… Lotte starrte drei Sekunden lang in die Schatulle ohne einen einzigen Gedanken zu haben. Dann raste ein Impuls durch ihren Kopf. Weg damit! Weg damit! Lotte stieß die Schatulle von sich, so als sei sie ein Basketball, den sie an eine Mitspielerin passen müsste. Sie hatte drei Jahre lang Center in der Mädchenmannschaft des Gymnasiums gespielt. Hier hatte sie ein paar wenige Freundinnen gehabt in den einsamen Jahren, die auf das Verschwinden ihres Vaters folgten. Und jetzt sollte dieses Kästchen verschwinden! Während es in einem eleganten Bogen durchs Zimmer flog, hatte Lotte tatsächlich kurz die Hoffnung, es würde sich einfach in Luft auflösen – auf die gleiche Art, wie es ins Zimmer gekommen war.

Doch das Kästchen prallte an der dünnen Trennwand zur Nachbarwohnung ab und schlug auf dem Boden auf. Natürlich tut es das. Es ist ja auch nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht, irgendwer – ANJA! – hat es hier hingelegt. Der Deckel der kleinen Schatulle riss ab und mit leisem Klick-Klick-Klick purzelte der Schneidezahn aus dem Kästchen über den Parkett-Boden. Er war so klein, dass jemand, der ins Zimmer gekommen wäre, ihn nicht gesehen hätte. Doch Lotte sah den Zahn. Strahlend weiß wie eine kostbare Perle lag er wenige Meter von ihr entfernt zwischen Sessel und Tischchen. Er erinnerte sie daran, wie sie mit Birte einmal im Sandkasten auf einem Spielplatz gesessen hatte. Lotte hatte einen Sandkuchen gebacken. Und Birte, gerade einmal zwei Jahre alt, hatte sich mitten reingesetzt, ehe Mama kommen konnte, um den Kuchen zu bewundern. Lotte hatte ihre Schwester geschlagen. Sie erinnerte sich an Blut und unerträgliches Geschrei. Sie erinnerte sich, dass das Schreien eine Genugtuung gewesen war, bis Mama gekommen war und Birtes Zahn aus dem Sand gepuhlt hatte. Dann hatte Lotte plötzlich auch weinen müssen – erschreckt über ihre eigene Brutalität. Und über die Tatsache, dass es Konsequenzen hatte, wenn man impulsiv handelte.

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