Mittwoch, 18. Dezember 2013

Der gruseligste Adventskalender der Saison... #18

Achtung! Diese weihnachtlich-traurige Gruselgeschichte startet bei TÜRCHEN 1!
Hier geht es weiter mit:

TÜRCHEN 18

Am letzten Weihnachtsabend, den Birte noch erlebt hatte, hatten sie gemeinsam damit gespielt. Und schon eine Woche später musste Lotte hilflos zusehen, wie Mama das Puppenhaus in einem Müllsack verschwinden ließ. Papa schrie: „Lass das doch! Lass das doch! Beruhige dich!“ Als er versuchte, Mama den Müllsack zu entreißen, schlug sie ihn so feste in den Bauch, dass er sich keuchend krümmte und Lotte zu weinen begann. „Ich will nichts mehr von all diesem Zeug sehen! Nichts mehr! Verstehst du!“, schrie Mama und brachte den Müllsack mit dem Puppenhaus und allen anderen Weihnachtsgeschenken, die Birte und Lotte bekommen hatten, in den Hinterhof.
Lotte hatte das Puppenhaus vermisst. Doch irgendwie war es ihr logisch vorgekommen, dass für die Spielzeuge kein Platz mehr war, jetzt wo Birte weg war. In den Jahren danach hatte Lotte das Puppenhaus irgendwann vergessen. So wie all die anderen Sachen.

Lotte ahnte, was in den anderen Paketen zu finden sein würde, die sich jetzt in ihrer Studentenwohnung unter dem magischen (Magie war etwas beängstigendes und niemals so wie in den „Harry Potter“-Filmen) Weihnachtsbaum stapelten. Sie nahm ein weiches Paket. Das ist der Plüsch-Drache, den Birte geschenkt bekommen hat. Der verdammte Drache, den sie in der letzten Woche ihres Lebens immer unter dem Arm mit sich herum getragen hatte! Wie hatte Lotte den vergessen können! Sie riss das Papier ab. Es war der Drache. Wie hieß er noch, wie hieß er noch? WIE HIESS ER NOCH? Lotte dachte angestrengt nach, während sie dem süßen Vieh, das weit seinen Rachen aufgerissen hatte, in die großen gelben Comic-Augen starrte. Irgendwas seltsames. Er hatte irgendeinen verrückten Fantasienamen, den sich nur ein Kind ausdenken konnte. Quas… Kwas… Kwasitonk! Nein, das war es nicht. „Wie ist dein Name, kleiner Drache?“ fragte Lotte das Plüschtier in ihren Händen. Und als hätte der Drache telepathische Kräfte, fiel Lotte der Name ein: „Kwisitas heißt du!“ rief Lotte. „Kwisitas!“ Sie lachte und drückte das Tier fest an sich. Birte war damals gerade in der Übergangszeit gewesen, in der aus Gebrabbel strukturierte Laute wurden, aber noch keine sinnvollen Wörter. An Heiligabend hatte der Drache noch keinen Namen gehabt. Als Birte ihn am nächsten Tag mit zu Oma nahm, hatte sie gesagt: „Das ist aber ein schöner Dinosaurier.“
„Das ist ein Drache!“ hatte Lotte Oma verbessert.
„Oh, natürlich. Entschuldigung, Birte. Wie heißt denn dein Drache?“
Aus Birte war hervorgeschossen: „Kwisitas.“ Alle hatten gelacht. Und Oma hatte Birte zu der gelungenen Namenswahl beglückwünscht.

Lotte riss das Papier von weiteren Geschenken ab. Da war der Puppenwagen, den Birte von Oma bekommen hatte und dann Lottes Kinder-Koch-Set. Ein selbst gestrickter Pullover mit einer Prinzessin für Lotte, ein paar kleine Handschuhe für Birte. Eine Schneekugel und eine Packung Seifenblasen. Eine CD mit Kinderliedern, der neue Band von „Harry Potter“. „Der Gefangene von Askaban“ war damals neu und Mama hatte versprochen, ihn Lotte bald vorzulesen. Dazu kam es nicht, auch das Buch schmiss Mama später in den Müll. Doch über allen Geschenken thronte erhaben das Playmobil-Puppenhaus.

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